Informationssicherheit: Warum Ihre HR-Abteilung zum Schutzschild werden muss

"Das ist Sache der IT." Wie oft hören Sie diesen Satz, wenn es um Informationssicherheit geht? Wahrscheinlich sehr oft. Gerne schiebt man das Thema in die Technik-Ecke – und übersieht dabei eine entscheidende Wahrheit: Der größte Risikofaktor in Sachen Datensicherheit trägt keinen Prozessor, sondern einen Pullover.

Sie ahnen es bereits: Ich spreche von den Mitarbeitern. Doch bevor Sie jetzt hektisch nach dem nächsten Security-Workshop suchen – lassen Sie uns gemeinsam einen genaueren Blick auf diese unterschätzte HR-Herausforderung werfen und pragmatische Lösungsansätze finden, die in Ihrem Unternehmen tatsächlich funktionieren.

Informationssicherheit: Warum Ihre HR-Abteilung zum Schutzschild werden muss
Inhaltsverzeichnis

Der blinde Fleck im Personalmanagement

Wenn der IT-Leiter wieder einmal eine E-Mail mit dem dringenden Hinweis schickt, Passwörter zu ändern und an der nächsten Schulung zum Thema IT-Sicherheit teilzunehmen, landen diese Nachrichten häufig unter "Später erledigen". Diese Priorisierung könnte Sie teuer zu stehen kommen. Denn während Sie sich um Recruitingprozesse und Mitarbeitergespräche kümmern, schlummert möglicherweise eine tickende Zeitbombe in Ihrem Unternehmen: Unzureichend geschützte Personaldaten.

Denken Sie nur einmal an die sensiblen Daten, die täglich durch Ihre Hände gehen: Personaldokumente mit privaten Anschriften und Bankverbindungen, Gesundheitsdaten, Leistungsbeurteilungen, Gehaltsinformationen. Als HR-Verantwortliche verwalten Sie einen wahren Datenschatz – der für Cyberkriminelle mindestens so interessant ist wie die Finanzdaten Ihrer Buchhaltung.

Viele Unternehmen unterschätzen dieses Risiko: Manipulierte E-Mails, gefälschte Login-Seiten oder kompromittierte Konten führen immer wieder dazu, dass unbefugte Zugriffe auf Personaldaten bekommen. Die Folgen reichen von zeitaufwändigen Aufräumarbeiten über Meldepflichten bei den Datenschutzbehörden bis hin zu empfindlichen Vertrauensverlusten bei Mitarbeitern und Kunden.

Informationssicherheit ist längst keine reine IT-Sache

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Mitarbeiterin aus der Buchhaltung erhält eine E-Mail, scheinbar vom Geschäftsführer, mit der dringenden Bitte, eine Überweisung zu tätigen. Die Nachricht wirkt authentisch, der Absender vertrauenswürdig – und schon sind Unternehmensgelder fehlgeleitet. Ein klassischer Fall von Social Engineering, bei dem der Angreifer nicht eine technische Schwachstelle ausnutzt, sondern einen Menschen überzeugt.

Solche Szenarien sind immer noch keine Seltenheit. Unternehmen verlieren jährlich beträchtliche Summen – nicht weil die Firewall versagte, sondern weil die menschliche Firewall nicht richtig vorbereitet war.

Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache: Über 80% aller Datenschutzverletzungen haben menschliches Versagen als Ursache. Passwörter auf Haftnotizen am Monitor, vertrauliche Dokumente im Papierkorb, arglos geöffnete Phishing-Mails – die Schwachstellen sind oftmals erschreckend banal.

Informationssicherheit betrifft HR in mehrfacher Hinsicht:

  • Sie verwalten hochsensible personenbezogene Daten, deren Verlust gravierende rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben kann
  • Die Mitarbeiter sind das erste und wichtigste Glied in der Sicherheitskette – oder die größte Sicherheitslücke
  • HR-Prozesse wie Onboarding und Offboarding sind kritische Momente für die Informationssicherheit
  • Sicherheitsbewusstsein muss systematisch in die Personalentwicklung integriert werden

Die fünf häufigsten Sicherheitslücken im HR-Bereich

In der Praxis kristallisieren sich immer wieder dieselben Schwachstellen heraus:

  1. Ungeschützte Personaldaten: Personalakten liegen auf unverschlüsselten Laufwerken oder werden per ungesicherter E-Mail verschickt.
  2. Mangelndes Offboarding: Ausscheidende Mitarbeitende behalten Zugänge zu sensiblen Systemen – manchmal monatelang. Bei Bestandsaufnahmen zeigt sich häufig, dass ehemalige Mitarbeiter noch lange nach ihrem Ausscheiden Zugriff auf Datenbanken haben – einfach, weil das Deaktivieren von Zugängen in der Hektik des Tagesgeschäfts vergessen wurde.
  3. Shadow IT: HR-Mitarbeitende nutzen nicht autorisierte Cloud-Dienste oder Apps, um ihre Arbeit zu erleichtern – ohne die Sicherheitsthemen zu bedenken.
  4. Fehlendes Bewusstsein: Regelmäßige Schulungen zur Informationssicherheit werden als lästige Pflicht angesehen, nicht als essentielle Präventionsmaßnahme.
  5. Unklare Verantwortlichkeiten: Wenn niemand explizit für die Sicherheit der HR-Daten verantwortlich ist, fällt sie in die berühmte Zuständigkeitslücke.

HR als strategischen Partner für Informationssicherheit

Hier kommt die gute Nachricht: Als HR-Verantwortliche oder Geschäftsführer haben Sie die perfekte Position, um diese Schwachstelle in eine Stärke zu verwandeln. Denn Sie gestalten genau die Prozesse, die Menschen durch ihr Arbeitsleben im Unternehmen führen:

Beim Recruiting: Beginnen Sie bereits hier mit dem Sicherheitsbewusstsein. Machen Sie deutlich, dass Informationsschutz Teil der Unternehmenskultur ist. Unternehmen, die Datenschutz-Grundsätze direkt in Stellenausschreibungen integrieren, berichten von sensibilisierten Bewerbern.

Im Onboarding: Hier haben Sie die Chance, Sicherheitsbewusstsein von Anfang an zu verankern. Erfolgreiche Unternehmen erweitern ihr Onboarding um einen Informationssicherheits-Baustein. Neue Mitarbeitende lernen so von Tag eins an, wie sie mit sensiblen Unternehmensdaten umgehen sollen – lange bevor sich nachlässige Gewohnheiten einschleichen können.

In der Personalentwicklung: Sicherheitsschulungen müssen nicht langweilig sein. Kurze "Security-Happen" – 15-minütige, praxisnahe Updates zu aktuellen Bedrohungen – können tatsächlich Spaß machen und bleiben im Gedächtnis.

Bei Personalwechsel: Der oft übersehene Risikomoment. Klare Prozesse für den Entzug von Zugriffsrechten und die Rückgabe von Geräten sind kritisch. Die schmerzhaften Erfahrungen, wenn ehemalige Mitarbeiter noch monatelang auf sensible Daten zugreifen können, muss niemand wiederholen.

Praxisnahe Maßnahmen für mehr Sicherheit – ohne IT-Voodoo

Was können Sie konkret tun, um die menschliche Firewall in Ihrem Unternehmen zu stärken? Hier einige bewährte Ansätze:

Klare Prozesse definieren: Dokumentieren Sie, wie mit sensiblen Daten umzugehen ist – vom Einstellungsprozess bis zum Austritt. Standardisierte Prozesse für den Umgang mit Personaldaten können Sicherheitsvorfälle signifikant reduzieren.

Schaffen Sie eine offene Fehlerkultur: Nichts ist gefährlicher als Mitarbeiter, die aus Angst vor Konsequenzen Sicherheitsvorfälle verschweigen. Anonyme Meldemöglichkeiten für Beinahe-Pannen und Fehler ohne Schuldzuweisung führen nachweislich dazu, dass Vorfälle früher gemeldet und schneller adressiert werden können.

Sicherheits-Bewusstsein aufbauen: Machen Sie Informationssicherheit zum Teil der Routine und zu einem festen Bestandteil Ihrer Unternehmenskultur. Kurze "Sicherheitsminuten" zu Beginn regulärer Besprechungen kosten kaum Zeit, schärfen aber kontinuierlich das Bewusstsein.

Nutzen Sie die Kraft der Geschichten: Abstrakte Regeln werden schnell vergessen, konkrete Erfahrungen bleiben haften. Teilen Sie (anonymisierte) Beispiele von Sicherheitsvorfällen aus Ihrer Branche. Das schafft Relevanz und motiviert zur Vorsicht.

Verantwortlichkeiten klären: Bestimmen Sie Sicherheits-Buddies in jedem Team, die als Ansprechpartner dienen und gutes Verhalten vorleben. Diese Rolle kann als Bindeglied zwischen HR, IT und Belegschaft fungieren – ein effektiver Ansatz, der kaum zusätzliche Ressourcen benötigt.

Regelmäßige Überprüfung: Etablieren Sie halbjährliche Sicherheits-Audits, um zu prüfen, ob Ihre HR-Prozesse noch den aktuellen Sicherheitsanforderungen entsprechen.

Wie Sie HR und IT für echte Sicherheit zusammenbringen

Zum Erfolg führt nicht, dass HR zur IT-Abteilung wird, sondern dass beide Hand in Hand arbeiten. In vielen Unternehmen, die ich begleitet habe, hat sich ein regelmäßiger Austausch bewährt:

  1. Quartalsweise ein kurzes Meeting zwischen HR und IT, um aktuelle Bedrohungslagen und Personalthemen zu besprechen
  2. Gemeinsame Planung von Awareness-Maßnahmen, die sowohl technisch fundiert als auch menschlich zugänglich sind
  3. Klare Definition der Verantwortlichkeiten bei sicherheitsrelevanten Prozessen wie Onboarding und Offboarding

Fazit

Informationssicherheit ist längst keine Domäne der IT-Abteilung mehr – wenn sie es denn je war. Als HR-Verantwortliche oder Geschäftsführer haben Sie den Schlüssel in der Hand, um Ihr Unternehmen auch durch Menschen zu schützen, nicht nur durch Technologie.

Der Aufbau einer menschlichen Firewall beginnt mit klaren Prozessen, kontinuierlicher Sensibilisierung und einer Kultur, in der Sicherheit selbstverständlich ist. Sie müssen dafür weder IT-Experte werden noch teure Systeme anschaffen. Was zählt, ist ein pragmatischer Ansatz, der zu Ihrem Unternehmen passt und von allen getragen wird.

Der entscheidende erste Schritt ist ein Umdenken: Betrachten Sie Informationssicherheit nicht als lästige Pflicht, sondern als  Bestandteil moderner HR-Arbeit. Definieren Sie klare Prozesse, schulen Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig und arbeiten Sie eng mit Ihrer IT-Abteilung zusammen.

Denn letztlich geht es nicht nur um den Schutz von Daten, sondern um den Schutz Ihres wertvollsten Guts: Das Vertrauen Ihrer Mitarbeiter und Kunden.

Sie wollen wissen, wie es um Ihr Personalmanagement steht? Dann machen Sie den HR-Check!
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Veronika Kellner
April 21, 2025